Die Kirchliche Gemeinschaft hat in ihrem neu erworbenem Haus Koinonia in Biebergemünd inzwischen 60 Frauen und Kinder aus der Ukraine untergebracht. Während manche Geflüchtete aus der Ukraine versuchen, sich in Deutschland zurechtzufinden, ist unser Missionar Oleg Schewtschenko immer in Odessa. Ihn hat unser Geschäftsführender Pastor Waldemar Lies interviewt.
Waldemar: Oleg, wie geht es dir persönlich?
Oleg: Eine scheinbar einfache Frage, die manchmal wirklich schwer zu beantworten ist. Wie ich mich fühle, hängt oft davon ab, womit ich mich füttere. Wenn ich meine ganze Zeit mit den schrecklichen Nachrichten fülle, mit Menschen, die gelitten haben, oder mich den Gedanken hingebe,
dass meine Familie weg ist und ich sie mittlerweile mehr als ein halbes Jahr nicht sehe… dann überwältigt mich die Traurigkeit von der scheinbar ausweglosen Situation und verliert sogar den Fokus und gibt sich der Verzweiflung hin. Ja, solche Momente habe ich.
Aber wenn ich versuche, mich in das Wort Gottes zu vertiefen und mich auf die Segnungen und Taten Jesu in der Vergangenheit und in der Gegenwart zu konzentrieren, wird es oft leichter, mit der beängstigenden Ungewissheit und der scheinbaren Hoffnungslosigkeit zu kämpfen! Wenn man weiterhin Christus hört und sieht, fällt es einem leichter, dankbar zu sein für das, was vorhanden ist, und für die Möglichkeiten, die Gott gibt!
Seit dem Beginn des vollen Einmarsches russischer Truppen in die Ukraine sind Vika und die Jungen nach Marsberg in Deutschland gefahren, wo sie schließlich eine Wohnung mieten und eine Stelle im Kindergarten finden konnten.
Da ich zwei Staatsbürgerschaften besitze, eben auch die ukrainische, kann ich das Land derzeit Land nicht verlassen. Aber ich denke, das ist nicht der Hauptgrund. Ich könnte mir nicht vorstellen, die Gemeinschaft und den Dienst zu verlassen. Ich bin sicher, dass Gott mich in dieser schwierigen Zeit für seinen Dienst gebrauchen wollte. Ich glaube, dass der Herr zu seiner vorgesehenen Zeit Türen öffnen und mir erlauben wird, für eine Weile auszureisen.
Ich bin Gott dankbar für die Möglichkeit, uns gegenseitig anzurufen und zu sehen, so dass ich weiterhin mit meinen Jungs und meiner Frau in Kontakt bleiben kann. Natürlich vermissen wir uns gegenseitig sehr. Die Jungs sprechen oft davon, dass sie dort sein wollen, wo Papa ist. Aber ich weiß, dass es hier noch nicht sicher ist und die Situation hier Auswirkungen auf ihre Zukunft haben kann. Kürzlich feierten die Jungs ihre Geburtstage. Es war eine besonders schwere Zeit für mich, und es war eine Zeit, in der ich viel beten und mit Gott reden konnte!
„Ich bin sicher, dass Gott mich in dieser schwierigen Zeit für seinen Dienst gebrauchen wollte.“
Waldemar: Wie hat sich dein Missionsdienst in den letzten Monaten verändert?
Oleg: Zum Kriegsbeginn habe ich viel Zeit damit verbracht, die Menschen aus den Frontgebieten herauszufahren und sie zum Missionszentrum nach Odessa zu bringen. Ich habe geholfen, alle Dokumente vorzubereiten, Kontaktaufnahme zu unseren Partnern in Deutschland und Rumänien war ebenfalls mein Aufgabengebiet, dann erst konnten wir Frauen und Kinder zur Grenze nach Rumänien (280 km) fahren, wo sie abgeholt und aufgenommen wurden oder weiter nach Deutschland gefahren wurden. Das Auto wurde zu einem Ort des Kennenlernens, ein Ort tiefer Gespräche, Gebete und Ermutigungen.
Später ebbte die Reisewelle ab und wir begannen den Menschen zu helfen, die geblieben sind. Wir kauften Lebensmittel und Medikamente sowie andere humanitäre Hilfe für Bedürftige und vorübergehend vertriebene Menschen in den Regionen Mykolaiv und Odessa ein und verteilten es. Jedes Mal hören die Menschen auch Gottes Wort und wir beten für sie.
Wir haben auch in einigen Grenzstädten zur Front geholfen, in denen es für die Menschen besonders schwierig und belastend ist. Wir besuchten Soldaten an der Front und sprachen ein Wort und Gebet und leisteten medizinische und Nahrungsmittelhilfe.
Waldemar: Wofür können wir konkret beten?
Oleg: Ich danke jedem Bruder und jeder Schwester für dein Gebet und deine Unterstützung! Bitte bete weiterhin für uns:
– Für unsere Kirchen, dass der Herr die Ältesten und Pastoren stärkt und Vielen den Wunsch gibt, zu dienen.
– Dass wir nicht der Verzweiflung und dem Unglauben nachgeben, die an uns zerren, sondern Gott fest vertrauen, seiner Liebe und uns auf ihn verlassen!
– Dass diejenigen, die in den Gemeinden Hilfe finden, Gott wirklich hören und mit Glauben antworten!
Waldemar: Kannst du kurz eine ermutigende Begegnung beschreiben, in der du erlebt hast, dass du in der Ukraine in dieser schwierigen Zeit von Gott gebraucht wirst?
Oleg: Wir hatten eine lange Fahrt im Auto und ich versuchte durch Gespräche, die Kinder und Erwachsenen kennenzulernen und mit ihnen zu reden. Nach einer kurzen Geschichte aus der Bibel und einem Gebet fuhren wir schweigend weiter.
Als wir die Grenze erreichten, kam eine Mutter auf mich zu und sagte: „Es tut mir so leid und es tut mir sehr weh!“: Ich versuchte, sie zu ermutigen und ihr zu sagen, dass es für uns alle schwierig ist, dass sie aber ihre Tasche nehmen muss und dass meine Freunde in Rumänien auf sie warten und sie in Sicherheit bringen. Aber sie antwortete: „Ich schäme mich und es tut mir weh, weil ich Gott verlassen habe und vor vielen Jahren vor ihm weggelaufen bin!“
Sie weinte sehr, die kleinen Kinder waren weinerlich, die anderen waren bereits auf dem Weg zur Grenze…
Aber ich habe sie gefragt: „Bereust du es wirklich? Möchtest du Gott um Vergebung bitten? Schließlich hat er dich nicht vergessen und wartet auf dich!“ Sie betete durch ihre Tränen und ihren Schmerz hindurch. Ich erinnerte sie an Gottes Liebe und Vergebung!
Aus Rumänien, wo sie für die nächsten Monate untergebracht und geblieben ist, schrieb sie: „Ich danke Gott und dir so sehr!“
Eine Geschichte wie diese ist ermutigend und weckt die Hoffnung, dass diese Begegnungen, Wege und Ereignisse vielleicht für Viele ein Weckruf sind – zum Aufwachen, zum bewussten Glauben und zum aufrichtigen Gebet!
„Ich danke Gott und dir so sehr!“
Waldemar: Ich danke dir für deine ehrlichen Antworten. Wir wollen weiterhin für dich, deine Familie und euren Dienst beten – und für unsere anderen Missionare auch. Sei gesegnet und behütet!